Der Tarantellawagen beim Karneval der Kulturen 2005 in Berlin

Die Verkleidung

Der Wagen

 

 

 

 

Das Thema des diesjährigen Wagens:
"Der mit den Hexen tanzt"
 

 

Wenn man von Hexen redet, kommen einem Bilder ins Gedächtnis die fast klischeehaft geworden sind: eine krumme und pickelige Nase, zerrissene Kleider, ein fliegender Besen, usw.

Wir wollen diese klischeehafte Vorstellung nicht bedienen. Nicht, weil wir uns für besonders originell halten, sondern weil dieses Bild nur ungenügend dem Stellenwert entspricht, den Hexen und Magier traditionell in der süditalienischen Gesellschaft geniessen.

Wenn man an das Bild denkt, für das Hexen in Mitteleuropa stehen, steckt letztendlich immer eine negative Darstellung der Frau dahinter.
Schließlich ist die Geschichte der Hexenverfolgung sehr stark mit der Entwicklung in den mitteleuropäischen Ländern verbunden. Nicht aus geografischen Gründen, sonder weil historisch gesehen die Hexenverfolgung sehr stark mit dem Bedürfnis der Vertreter der christlichen Religion verbunden war, sich endgültig von allen Überbleibseln von Aberglaube oder Naturreligionen zu befreien.

Dieser Wandel hat in Süditalien so gut wie nie stattgefunden, die katholische Kirche hat dort fast immer versucht sich mit der Volksreligiosität und mit allen Formen von heidnischen Kulten zu arrangieren und sogar sie zu vereinnahmen. Dies geschah nicht nur in vereinsamten Bergregionen, sondern auch in den Grosstädten. Man braucht nur an das alljährliche Ritual der Blutverflüssigung des Heiligen Januarius in Neapel zu denken, das sich jedes Jahr wiederholt und sogar immer mehr an Popularität gewinnt.

Diese uralten Formen von Volksreligiosität, in der Basilicata wie in Apulien oder in Sizilien haben einen gemeinsamen Nenner: sie sind eine reine Frauendomäne. Es sind immer Frauen, die die Kinder von Krankheiten befreien, sie sorgen für die Milch der stillenden Frauen, sie lösen Beziehungsdramen, sie befreien vom bösen Blick, sie backen das Brot, sie segnen die Erde...

Sie kennen die richtigen Formeln, die Gebete, die von Frauenmund zu Frauenmund weitererzählt werden und die Männer, die sonst wenig von ihrer Macht abgeben, mischen sich hier nicht ein und scheinen diese Gegebenheiten stillschweigend wie ein naturgegebenes Phänomen zu akzeptieren.

Wenn man an diese Frauenwelt denkt, fällt es nicht schwer an die Arbeit einer Spinne zu denken, die ihr Netz spinnt. Hier handelt es sich um ein Netz von Beziehungen, das gesponnen wird, um die familiäre oder dörfliche Gesellschaft zusammenzuhalten und zu schützen. Nicht zufällig ist die Spinne daher , das von süditalienischen Frauen m meisten gefürchtete und verehrte Tier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 
 
 

Bis in die 80er Jahre sind Frauen jedes Jahr am 29 Juni zur Kirche vom Heiligen Paulus nach Galatina (in der Nähe von Lecce) gepilgert, um vom Spinnengift befreit zu werden. Dort sind sie in Anwesenheit von Verwandten und Freunde in einer Art Trance gefallen und mussten stundenlang, bis zur endgültigen Heilung tanzen.

Wie gesagt, ist die Tarantella letztendlich meist eine Frauensache . Die Sehnsucht ist gross, den Körper loszulösen aus dem Alltag. Gerade in bäuerlichen Kulturen mit der tagtäglichen Schinderei, gerade bei Frauen, die als Mütter, Hausfrauen und Bäuerinnen doppelt und dreifach belastet sind.

Es sind die Frauen, die Großmütter, die Mütter, die Tanten, die uns Kindern abends die bunten Geschichten von Hexen, Magier, Engel und Briganten, die durch die Wälder und in den Bergen Süditaliens herumgeistern, erzählt und damit unsere Vorstellungswelt stark geprägt haben.

Dieser fantasievollen Frauenwelt, der Natur und der Religiosität Süditaliens versuchen wir mit dem diesjährigen Tarantellawagen einen angemessenen Ausdruck zu geben .

Anmeldung: francescocampitelli@hotmail.com


©Francesco Campitelli Tarantella in Berlin