Unser Motto 2013: ISOLATION
KILLS CULTURES
Überall auf der Welt (mit nur wenigen Ausnahmen…) verbinden die Menschen mit dem Begriff „Kultur“ in erster Linie eine Konsumhaltung. Kultur wird „konsumiert“, in dem man ins Kino, ins Theater, ins Museum oder ins Konzert geht. Ursprünglich bedeutet „Kultur“ jedoch das Zusammenleben von Menschen in einem bestimmten Lebensraum. Da die Welt immer mehr zusammenrückt und „globaler“ wird, lassen sich kulturelle Phänomene immer weniger lokal erklären. Heutzutage ist jede „lokale Kultur“ zu ihrem eigenen Überleben auf den Kontakt und auf die Interaktion mit der Außenwelt angewiesen. Kultur entsteht heutzutage durch Begegnung und Austausch.
Umso heuchlerischer klingen die Phrasen der rechten und ausländerfeindlichen Kräfte in Europa, die von einer „Entfremdung“ oder gar einer „Vergiftung“ der christlich-abendländischen Kultur sprechen. Denn während diejenigen, deren Aktivismus sich darin erschöpft, auf die Straße zu gehen und Hass gegen Flüchtlinge und alles Fremde zu richten, indem sie sich auf „christlich-abendländische Werte“ berufen, praktizieren die „wahren Christen“ echte Willkommenskultur und helfen tatkräftig mit bei Versorgung und Notlinderung der Geflüchteten mit.
An den Küsten Süditaliens strandeten bereits Anfang der 90er Jahre die ersten Flüchtlingsboote. Dabei wurde vielen Süditalienern bewusst oder unbewusst klar, dass ihr Land plötzlich nicht mehr „irgendwo an der Peripherie Europas“ liegt, sondern sich im Zentrum des Geschehen befindet.
Das Bewusstsein, nicht mehr isoliert, ja geradezu „attraktiv“ zu sein, hat zu einer neuen Selbstwahrnehmung und zu einer Rückbesinnung auf die eigenen kulturellen Wurzeln beigetragen. In diesem Zuge wurde auch die Tarantella-Kultur in Süditalien wiederentdeckt.
2016 sind wir zum elften Mal mit dem „Tarantella-Wagen“ beim Karneval der Kulturen dabei und verurteilen mit unserer Präsenz dieses Jahr die kulturelle Abschottung in Europa. „Je mehr Isolation, desto weniger Austausch, desto mehr droht die Gefahr des Verlust der eigenen kulturellen Wurzeln!“
Der Tarantella-Wagen
Der untere Teil des Wagens zeigt eine Trockenmauer, so wie sie in Süditalien oder auch in anderen ländlichen Gebieten des Mittelmeerraums zu sehen sind. Aus der Erde wächst jedoch ein starker Baum, der diese Mauer durchbricht. Die Baumwurzeln bilden Löcher, in denen Bilder und Assoziationen entstehen – sie nehmen das Motto des Karnevalswagens auf: Kultur wird bedroht, man findet Musikinstrumente, ein Kreuz und ein menschliches Gehirn, alles von Stacheldraht umgeben. Von Stacheldraht umsäumt ist auch die Trockenmauer. Aber der Baum ist stärker und vermag auch dem Stacheldraht zu trotzen – und ihn aufzubrechen. Seine wuchtige Krone besteht nicht aus Blättern, sondern aus Händen, und seine Früchte sind rote Herzen. Die Embleme der Weltreligionen prangen in der Mitte. Der Baum ist zudem mit Votivgaben und bunten Bändern geschmückt, wie es Tradition an vielen (nicht nur christlichen) Wallfahrtsorten und Pilgerstätten ist.
Die Front des Wagens trägt das Motto auf weißem Hintergrund mit schwarzer Umrandung: „ISOLATION KILLS CULTURES“ – genau wie die Warnung auf den Zigarettenpackungen gegen die Gefahren des Rauchens.
Die Tänzer
Die Tänzer tragen Schilder mit eingängigen Aufschriften, so wie sie auf vielen europäischen Zigarettenpackungen zu lesen sind: Statt gegen das Rauchen richtet sich die Warn-Kampagne jedoch gegen die Gefahren der Isolation, z. B.:
ISOLATION TÖTET
ISOLATION SCHALTET DEIN GEHIRN AUS
ISOLATION SCHADET DER GEISTIGEN GESUNDHEIT
ISOLATION SCHADET DIR UND DEINEN MITMENSCHEN
ISOLATION VERURSACHT IMPOTENZ
ISOLATION SCHADET IHREM KIND
Berlin, im Januar 2016
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